Pünktlich zum Wochenende scheint das wochenlang perfekte Wetter zu kippen. Wir lassen uns davon nicht beirren, schließlich haben wir uns drei Tage Zeit genommen. Der Freitag vergeht wie geplant mit Anfahrt, Hüttenaufstieg und ein bisschen Spaltenbergungsübung auf der grünen Wiese.
Samstag sollte eigentlich Gipfeltag für den Piz Buin sein, aber wir haben umdisponiert. Stattdessen heute „nur“ der kleine Berg, der eigentlich für den Rückweg von der Hütte vorgesehen war. Nach dem ersten Gewitter am Morgen brechen wir auf. Bald sind die Wege verschwunden. Wir marschieren durch ein Gletschervorfeld, in das sich anscheinend kaum jemand verirrt. Bald wird auch klar, warum: Die „leichte, abwechslungsreiche Hochtour“ (alpenvereinaktiv.com) zeigt uns die Zähne, indem der kaum mehr vorhandene Gletscher eine harte Blankeisflanke von 35° ist, umrandet von rechts und links herunterpurzelnden kleineren und größeren Felsbrocken. Wir arbeiten uns 70 Meter in diesem Gelände hoch, doch weiter oben kommt nur ein sperrender Felsriegel in Sicht, mit losen Blöcken bedeckt. Da müssen wir nun wirklich nicht weiter.
Vier Stunden haben wir in dieser Sackgasse verplempert, es ist Mittag. Nicht zu spät, um noch einen weniger widerspenstigen Berg zu finden – das Hohe Rad. Kurz vor dem Radsattel erreichen wir den Weg von der Wiesbadener Hütte wieder, deponieren die nun unnötige Ausrüstung und machen uns hoffnungsvoll an den restlichen Aufstieg. Doch auch das Hohe Rad wehrt sich: Am Radsattel (2652 m) Null Sicht und kräftiger Regenguss. Eine Viertelstunde später kommt die Sonne wieder raus, schnell sind die Felsen wieder trocken. Der Gipfel (2934 m) verwöhnt uns mit ganz anständiger Rundsicht. Geht doch.
Dass wir für den Rückweg zur Hütte nochmal gut zwei Stunden brauchen, hätten wir nicht erwartet. Den zweiten Gewitterschauer ausgerechnet kurz vor der Hütte auch nicht. Zehn vor sechs sind wir nass, aber pünktlich zum Abendessen in der Hütte. (Pünktliches Erscheinen ist dem Chefkellner sehr wichtig.)
Sonntag, das Wetter schaut besser aus. Da es erst um sechs Frühstück gibt, kommen wir nicht vor sieben Uhr los. Ohne großen Höhengewinn geht es ins Vorfeld des Ochsentaler Gletschers, wo der Ausfluss des kleinen Gletschersees mit etwas Stein-zu-Stein-Hopserei überquert wird. Danach folgt ein Aufstieg über glattgeschliffene Felsplatten und Schotterhalden – eine spektakuläre Szenerie, besonders wenn man sich vorstellen kann, dass das alles vor nur wenigen Jahren noch komplett unter dem Gletscher verborgen war.
Bei 2700 m geht es auf den Gletscher. Er ist blank und nicht allzu steil, man muss sich aber immer wieder an Spaltenzonen vorbeimogeln, und es ist recht weit bis zur Buinlücke. Dort halten wir uns nur kurz auf, steigen über steile Geröllfelder weiter Richtung Gipfel. Nach kurzen Passagen in ausgesetzterem Gelände (I-II) sind wir um zwölf Uhr auf dem Gipfel.
Wir gönnen uns nicht allzuviel Zeit für die Aussicht, schließlich müssen wir noch bis nach Hause. Im Abstieg sieht die Schlüsselstelle nicht so schön aus, wir entscheiden uns fürs Abseilen. Das dauert ein wenig, besonders da sich immer wieder Führerpartien dazwischendrängeln und wir warten müssen, bis auch die Herren Bergführer aus der Falllinie verschwunden sind – weil ausgerechnet die es nicht nötig haben, in diesem steinschlägigen Gelände einen Helm zu tragen.
Zwei Stunden weiter unten erwartet uns die letzte „große“ Herausforderung dieses Tages: Der Gletschersee ist nachmittags kräftig angestiegen, das Wasser ist jetzt fast kniehoch, reißend und natürlich eiskalt. Nachdem die Füße halbwegs trocken sind, weiter zur Hütte und schließlich zum Parkplatz an der Bielerhöhe. Elfeinhalb Stunden waren wir heute unterwegs, aber es hat sich gelohnt.
Tourenführer und Teilnehmer: Hartmut Bielefeldt, Cole Hamilton, Susanne Klinger, Marion Schwaiger, Christiane Schwarz
Text: Hartmut Bielefeldt; Fotos: Christiane Schwarz/Hartmut Bielefeldt