Meine letzte DAV-Tour in diesem Jahr sollte uns ins Göscheneralptal im Kanton Uri in die Schweiz führen.
Acht Bergbegeisterte waren gekommen um in einer dreitägigen Tour dem Rundweg durch die schönsten Granitlandschaften der Schweiz zu folgen. Siglinde, Renate, Paula. Robert, Bruno und ich selbst aus der 70+ Gruppe waren dabei. Natürlich hat es uns sehr gefreut, dass 2 Jungspunte mit Woody und Hans-Dieter auch dabei waren.
Um 6:00 Uhr ging es von Überlingen in die Innerschweiz ins Reusstal nach Göschenen und von dort ins abgeschiedene Göscheneralptal.
Auf dem Fahrweg zum Göschener-Stausee wurde am Punkt „Voralpkurve“ 1404m
der Bus geparkt und unsere erste Etappe zur Voralphütte angegangen.
Zunächst ging es durch ein tief eingeschnittenes V-Tal, entlang der rauschenden Voralpreuss, vorbei an einigen knorrigen alten Lärchen in das Wildbachtal hinein.
Eindrücklich die Granitplattenfluchten auf der linken Talseite und mit weiterem Aufstieg rückten die dunklen Urgesteinsfluchten und Zacken des Salbitschijen auf der rechten Seite mehr und mehr in den Blickfang. Nach ca. 20 min öffnet sich das Voralptal und man geht in sanfter Steigung durch Almwiesen vorbei an der Horefellialpe und zuletzt steil zur Voralphütte. Diese ist einmalig schön auf einer Aussichtsterrasse gelegenen.
Ab Talöffnung zeigt sich ein ständiger Blick auf den Talschluss mit dem Sustenhorn 3492m und dem darunter liegenden Brunnen- und Wallenburfirn.
Diese ersten 2,5h reichten uns nicht und so war für heute noch der Übergang zur Bergseehütte auf 2370m vorgesehen.
Der mit verschiedenen Zeiten und ein paar Kletterstellen angegebene Pfad (blau-weiß) führte uns zunächst auf der westlichen Talseite oberhalb der Voralpreuss.
Der anfänglich schöne Weg über Alpweiden mit Bachquerungen, steigt dann über einen Moränenkamm auf in ein Riesenkar unterhalb des Horefellistock, das mit endlosen riesigen Granitquadern gefüllt ist. Von Pfad kann man hier nicht sprechen, es war ein ständiges balancieren über Gesteinsblöcke und Platten und der Suche nach der nächsten weiß-blauen Markierung. Das ganze über 400hm bis zu einer kleinen Scharte links vom Horefellistock 2581m.
Der Blick von hier oben auf die Salbitkette, den Fleckistock und natürlich die Eisflächen unterhalb des Sustenhorns war grandios, doch forderte die Aufmerksamkeit auf den Weg!? die volle Konzentration.
Auf der anderen Pass-Seite musste nun ein weiteres großes Hochtal überquert und zur Lücke P2600 zwischen Bergseeschijen und Hochschijen aufgestiegen werden.
Mit Unterstützung einiger Ketten, ging es auf der anderen Seite in das Bergsee-Tal hinab, auch meist weglos – über große Blockfelder – zur Bergseehütte auf 2370m.
Wir waren auf der Hütte angemeldet und die einzigen Gäste für diese Nacht.
Der doppelte Übergang ist in verschiedenen Beschreibungen zwischen 4,5 bis sogar 6h angegeben, die wir dann auch an unserem Anreisetag gebraucht haben.
Da wir angekündigt waren, ist der Hüttenwirt und Bergführer Toni von der Bergseehütte ca. 1h auf dem Blockgewirr uns entgegen gekommen.
Sowohl als Sorge um seine Gäste und um uns beim springen über „Stock und Stein“ eine angeblich kürzere Route zu seiner Hütte zu zeigen.
Der Abend auf der gemütlichen Hütte verging schnell bei einem kräftigen Essen und auch viel Erzählen, gerade auch vom Bergführer Toni über seine vielen Erstbesteigungen und Expeditionen z.B. am Eiger oder im Himalaya.
Alle fielen todmüde ins Bett nach diesem anforderungsreichen, aber auch eindrücklichen Start in die Göscheneralp-Runde.
Am nächsten Morgen wieder Sonnenschein mit ein paar Wolkenkränzen an den höchsten Gipfeln auf der anderen Talseite, hier besonders am Dammastock.
Auf einem herrlichen Geländebalkon über dem Chelenalptal, wie das innere Göschener-tal auch heißt, führt dieser Höhenweg dahin. Es geht immer am Hang entlang der „Hinteren Mur“ mit Blick auf den Chelengletscher am Talende. Darüber thronen die uns von Skitouren bekannten Gipfel wie Gewächtenhorn, Mittlerer- und Hinterer Tierberg.
Die allgegenwärtigen Blockfelder sorgen zwar für einen etwas unruhigen Gehrhythmus – nur Abschnittsweise laufen wir über einen richtigen Weg- doch wir können uns ja Zeit lassen und derweil die grandiose Aussicht genießen.
Vor allem von der stark vergletscherten Dammastock-Kette, dem sogenannten Winterberg, geht eine große Ausstrahlung aus. Trotz des tollen Panoramas erfordert das Blockgewirr des alpinen Weges hier immer unsere volle Aufmerksamkeit, schöne Pausenplätze ließen uns dann diese gewaltigen landschaftlichen Eindrücke in Ruhe genießen.
Ca. 300 hm oberhalb unseres heutigen Ziels, der Chelenalphütte, stießen wir auf den Alpinsteig zum Sustenlimi, dem einzigen Zugang zum Sustenhorn aus diesem Talkessel. Renate und Woody nahmen sich noch die Zeit, um diesen Pfad noch bis zum Gletscherbeginn zu erkunden.
Wir erreichten dann die urgemütliche Hütte in 2350m Höhe so um 15 Uhr, so dass heute etwas mehr Zeit für Entspannung in der – in prächtiger Aussichtslage gelegenen – Hütte nach diesem anforderungsreichen Weg blieb.
Müßig zu sagen, dass wir hier am Abend auch wieder bestens verköstigt wurden und noch Zeit für Gespräche, auch mit den wenigen anderen Gästen blieb.
Besonders ging es dabei über die morgige Panorama- und Klettersteigetappe.
Der neue und letzte Tag begrüßte uns am Morgen mit einem besonderen Scenario:
Gerade zum Sonnenaufgang lichtete sich der nächtliche Hochnebel und gab wie ein Vorhang langsam die von der Morgensonne angeleuchteten Berg- und Gletscherflanken des Winterberges frei.
Der Winterberg ist eine 7 km lange Bergflanke – eher Mauer – angefangen vom Winterstock über Tiefenstock, Dammastock, Schneestock bis zu den Tierbergen.
Diese markante Bergmauer ist bei klaren Tagen auch von unseren See-Aussichtsbergen bei Überlingen deutlich auffällig im Westen zu sehen.
Wenn nicht schon jede der drei Etappen als anforderungsreich und großartig zu bezeichnen sind, so stellt doch dieser letzte Tag sozusagen die Königsetappe dar.
Schließt sie doch, neben dem langen hoch angelegten Panorama-Alpin Weg (blau-weiß), als besonderes „Schmankerl“ einen Klettersteig in festem Urgestein fast 800hm über dem Göscheneralpsee ein.
Bei tiefblauen und klaren Himmel, führte der abwechslungsreiche Steig hoch über dem Chelenalptal unterhalb des Moosstock durch und schließt mit diesem tollen Klettersteig- Finale kurz vor Erreichen der Dammahütte auf 2439m ab.
Es war schon faszinierend: mit den letzten Zügen am Fels (nicht am Drahtseil) sieht man ein Gipfelkreuz und es wird sofort der Blick frei auf die wenige 100m entfernt liegende Dammahütte.
Nach 5h steigen, klettern und schauen, empfing uns die kleine Hütte mit einem super-freundlichen Wirt, guter Brotzeit und einer genialen Lage direkt vor der gewaltigen Ostwand des Dammastock und seinem breiten ausladenden Dammagletscher.
Obwohl der Hauptgipfel des Gebietes mit seinen 3530 m von der Rhonetal-Seite ein beliebter Ski Berg ist, wird er auch von dieser Seite über einen steilen Gletscher und einen scharfen Grat in schwieriger Kletterei bestiegen.
Nach der Stärkung geht es noch auf die letzte Abstiegsetappe runter zum Göscheneralp-Stausee, auf 1800m Höhe. Dabei überqueren wir den See-Zufluss die Dammareuss.
Ein Bodennebel im Tal breitet sich aus, so dass wir noch ca. 1h die Nachmittagssonne genießen können, bevor wir in dem Nebel am See abtauchen.
Zufrieden mit den tollen Erlebnissen und den sonnigen Tagen, genießen wir nunmehr die Stille, in der nun mit dem Nebel alles eingetaucht ist. Noch über eine Stunde geht es nun am Göscheneralp- Stausee entlang, auf und ab, bevor wir nach insgesamt 3h Abstieg um ca. 18 Uhr die Staumauer und das nahe liegende Restaurant erreichen.
Woody hatte schon das Auto geholt und so starten wir um 19 Uhr zum Bodensee zurück.
Zusammenfassend ist vielleicht noch folgendes zu sagen:
Der gesamte Göschener Alp Rundweg verläuft auf alpinen blau- weiß markierten Bergpfaden. Auch die von uns nicht begangene erste Etappe über die Salbithütte.
Nur der von uns gewählte Zugang zur Voralphütte ist rot-weiß markiert.
Es bestätigt sich wieder, das Westalpen Hüttenzugangs- und Verbindungswege im Vergleich zu den Ostalpen oft schon Bergtourencharakter haben.
Die beschriebene Runde ist aussichtsreich, großartig aber auch anspruchsvoll.
Bei dieser Gelegenheit sei nochmal erwähnt, das wir bei unserer 70+ Gruppe eigentlich 2 Teilnehmer haben, die 80- sind oder besser ausgedrückt, ab nächstes Jahr gibt es eine 80+ Gruppe
Es ist schon faszinierend, am senkrechten Klettersteig in den Urner Plattenfluchten
hoch über dem Stausee unsere beiden 80+ Aspiranten klettern zu sehen.
Wir hoffen und wünschen, dass wir noch viele gemeinsame Touren mit Ihnen unternehmen können.
Reinhard Stracke