„Ein guter Plan verträgt auch wesentliche Änderungen.“ Unserer ist schnell geändert: Für den Sonntag ist eine Kaltfront mit Schnee bis 2000 m angesagt. Vermutlich keine gute Idee, die eigentliche Hochtour erst am Sonntag zu machen und am Samstag „nur“ zur Hütte zu gehen und die Gegend zu erkunden. Also komprimieren wir das Ganze auf einen recht anstrengenden Samstag, aber die geplante Übernachtung behalten wir bei.
Recht schwer bepackt ziehen wir zu fünft von der Bielerhöhe los zur Klostertaler Hütte, die wir schon nach anderthalb Stunden erreichen. Was wir zum Übernachten und fürs Essen brauchen (und das ist viel!), lassen wir dort und gehen nach kurzer Pause weiter zum Gletscher.
Jetzt kann endlich auch das ganze Anseilzeugs aus dem Rucksack. Das Wetter ist perfekt, es ist sommerlich warm, die ganze Route ist sonnenbeschienen. Das mag dem Gletscher nicht gefallen, für uns ist es angenehmer als uns in morgendlicher Schattenkälte ans Seil zu binden.
Nach einer guten Stunde können wir die Steigeisen schon wieder ausziehen. An der Rotfluelücke, neben einem ausgelaufenen Gletschersee, wechseln wir aufs Geröll und folgen einer steilen, aber gut zu findenden Wegspur hoch zum Grat und über diesen zum Gipfel der Schneeglocke (3223 m).
Klostertaler Gletscher
die einzige Spalte am Grat
kurz vorm Gipfel Schneeglocke
Schönstes Sommerwetter mit blauem Himmel und nur ein paar Quellwölkchen am Horizont. Silvretta, Rätikon, Verwall, Ortler und Bernina werden inspiziert. Allzu lang bleiben wir aber nicht, es ist schon 15 Uhr. Vom Parkplatz aus waren wir sechs Stunden unterwegs, und gegen Ende hat sich die Höhe doch etwas bemerkbar gemacht.
Silvrettagletscher, Rotfluelücke, Klostertaler Gletscher
Für den Abstieg über den Gletscher können wir aufs Seil verzichten: Es gibt genau eine Spalte, in die man theoretisch reinfallen könnte. Da der Gletscher völlig schneefrei ist, würde das schon erhebliche Geschicklichkeit erfordern.
Der Rückweg durch die Geröllwüste des Gletschervorfelds zieht sich, und jetzt am Nachmittag haben sich auch die vorher kleinen Bäche zu recht interessanten Hüpf- und Balancierübungen gewandelt. 17:30 an der Hütte. Wir sind ganz froh, dass wir nicht mehr rausmarschieren und nach Hause müssen, sondern hier bleiben können.
Woanders könnte man sich jetzt ein Bierchen bestellen und relaxen, bis das Abendessen serviert wird. Hier ist das anders: SELBSTVERSORGERHÜTTE. Jeder findet ein geeignetes Betätigungsfeld: Wasser holen, Holz sägen, Ofen anfeuern (besonderer Bonuspunkt: Das bekommen wir auch ohne die mitgebrachten Kaminanzünder hin), Spaghetti kochen, abwaschen. Trotz der Arbeit ist es nicht wirklich ungemütlich.
Erst muss Holz her…. …. dann gibt es irgendwann mal Essen
Am Sonntagmorgen ist das Wetter immer noch recht schön. Nur ein eigenartiger blasser Regenbogen hängt über dem Litzner im Westen. Dank Handy-Datenempfang an der nordöstlichen Hüttenecke wissen wir aber schon von meteoschweiz, dass es um 12 Uhr nass werden wird. Also treten wir den direkten Rückweg an. Wir sind schon um halb elf am Auto und sind dem Regen damit um anderthalb Stunden entkommen. Er kam übrigens tatsächlich um zwölf, ich hab’s in der Webcam-Aufzeichnung nachgeschaut.
Text: Hartmut Bielefeldt
Fotos: Susi Gloger, Christiane Schwarz, Hartmut Bielefeldt